Zur Geschichte des Projektes

„Über Folter spricht man nicht“.

Die Fakten

Nach offiziellen Berichten sind während der Pinochet-Diktatur circa 40.000 Personen aus politischen Gründen eingesperrt und gefoltert worden.
Über 3.200 Menschen wurden durch staatliche Stellen ermordet, 1132 Menschen gelten heute noch als vermisst.

In Chile gab es circa 1200 geheime Gefängnisse und Folterzentren, davon allein in Santiago mehr als 220. Zwei dieser Orte in Santiago wurden bereits zu Gedenkstätten erklärt, so die „Villa Grimaldi“ und „London 38“. Sie sind bisher leider auch die einzigen, die eine staatliche Unterstützung erhalten. Andere Folterstätten werden seit damals vom Militär oder der Polizei genutzt, wie der Fall „Borgoño 1470“, die heute die Zentrale der Zivilpolizei ist, zeigt. Ein Ort blieb sogar ein Gefängnis, „3 und 4 Alamos“ dient heute als Jugendhaftanstalt.

Viele den Opfern bekannte Folterzentren sind heute in Privatbesitz, wie im Falle von „Venda Sexy“ in Santiago. Die Colonia Dignidad ist von denen das bekannteste und berüchtigste. Sowohl die chilenische als auch die deutsche Regierung haben erst vor kurzem begonnen, auch dafür Verantwortung zu übernehmen und erste Schritte zur Aufarbeitung der Vergangenheit zu gehen.

Da auch die chilenische Diktatur keine Spuren hinterlassen wollte, existiert allerdings die überwiegende Mehrheit dieser Original-Schauplätze der Verbrechen nicht mehr. Doch das Interesse von Überlebenden und Angehörigen der Opfer, jene Plätze als Orte der Erinnerung auch für nachfolgende Generationen zu erhalten, ist ungebrochen. Nur Dank der Arbeit verschiedener Gruppen von Überlebenden und Angehörigen wurden und werden diese Folterstätten vor Zerfall und weiterer Zerstörung geschützt. Jetzt gilt es, die wenigen dieser noch existierenden historischen Orte vor der völligen Zerstörung zu bewahren.

Mein Projekt ist eine Fotodokumentation von 13 Orten, wo ermordet und gefoltert wurde. Gezeigt werden 10 in Santiago, einer in Parral (Colonia Dignidad), weitere in Valparaíso (Kaserne Silva Palma) und Punta Arenas (Palast des Lächelns). Ergänzt wird diese Dokumentation durch Porträts von circa 20 Zeitzeugen und ihren Berichten.

Ich widme dieses Projekt den Ermordeten und Überlebenden der Pinochet-Diktatur.

Ich danke den vielen mutigen Frauen und Männern, die seit 45 Jahren für Gerechtigkeit und Anerkennung, auch durch die chilenische Gesellschaft, kämpfen.

Ihr Schicksal darf nicht vergessen werden!

Die Geschichte

Im November 2015 erhielt ich eine E-Mail des chilenischen Verlags Catalonia mit der Bitte, ein von mir im September 1988 in Santiago aufgenommenes Foto zu kaufen. Dieses Foto zeigt eine Demonstration für Menschenrechte. Man sieht Carmen Gloria Quintana wie sie mit verletzten Händen eine Pappfigur mit folgendem Text trägt: „Rodrigo Rojas, me olvidaste? SI – NO (Rodrigo Rojas hast du mich vergessen? JA-NEIN).
Der Verlag Catalonia hat mein Foto als Cover der neuen Ausgabe des Buches „Lebendig verbrannt“ der verstorbenen Journalistin Patricia Verdugo verwandt.
Durch diesen Kontakt mit dem Verlag, begann ich die Bücher von Patricia Verdugo und anderer Autoren zu lesen und erhielt 43 Jahre nach dem Militärputsch in meinem Heimatland weitere Informationen zu einigen der schrecklichsten Verbrechen der Diktatur.

Ich hatte Chile Mitte Dezember 1973 mit der Hilfe des „Komitees für den Frieden“ (eine Organisation die gefährdeten Chilenen half der Diktatur zu entkommen) verlassen können. 1986 ging ich erstmals wieder als Fotograf nach Chile und war in den nachfolgenden Jahren mehrere Male dort als Fotojournalist unterwegs. Zum 40. Jahrestag des Militärputsches in Chile hatte ich hier in Berlin, wo ich seit 1974 lebe, eine Ausstellung mit dem Titel „Bilder einer Diktatur“. Die Fotos zeigten die Diktatur und den Widerstand gegen sie im Santiago der 80er Jahre. Diese Arbeit war meine persönliche Aufarbeitung und erneute Auseinandersetzung mit der Pinochet-Diktatur.

Im Rahmen einer Zeremonie im Auswärtigen Amt im April 2016, entschuldigte sich Frank-Walter Steinmeier, der damalige deutsche Außenminister, für die Fehler der deutschen Diplomatie in Bezug auf die Verbrechen der Colonia Dignidad.
Im gleichen Jahr begleitete ich den Bundespräsidenten Joachim Gauck bei seinem offiziellen Besuch in Chile. Dabei besuchten wir in Santiago auch das „Museum der Erinnerung“ und die „Villa Grimaldi“.
In Chile mussten 30 Jahre vergehen, bevor Folter ein öffentliches Thema werden konnte und erst 40 Jahre nach dem Putsch landeten erste Klagen gegen die Folterer bei den Gerichten.
In dieser Zeit erschien das Buch von Patricia Verdugo: „Über Folter spricht man nicht“.
Dies Alles motivierte mich, zu diesem Thema erneut ein Projekt zu starten. Ich danke dem Verlag „Catalonia“, dass ich für mein neues Projekt auch das Motto „Über Folter spricht man nicht“ verwenden darf.

José Giribás Marambio
Fotograf